Bosch erstellt Karten für das Automatisierte Fahren erstmals auf Basis von Radarsignalen

Bosch und der niederländische Karten- und Verkehrsinformationsanbieter TomTom können die Fahrzeuglokalisierung automatisiert fahrender Autos jetzt auf der Basis von Radarsignalen vornehmen. Bislang wurden dafür Videodaten genutzt. Auf diese Weise sollen sich automatisiert fahrende Autos bis auf wenige Zentimeter genau in der Fahrspur lokalisieren lassen. Netter Nebeneffekt: Die Datenmengen sind bei der „Radar-Road-Signature“-Lösung deutlich kleiner.

In der Entwicklung von hochauflösenden Karten für automatisiertes Fahren haben Bosch und TomTom nach eigenen Angaben einen Durchbruch erzielt. Den Unternehmen sei es jetzt weltweit erstmalig gelungen, die für solche Karten unverzichtbare Lokalisierungsschicht auf Basis von Radarsignalen zu erstellen. Bislang werden dafür Videodaten genutzt.

Die Bosch „Radar Road Signature“ setzt sich aus Milliarden von einzelnen Reflexpunkten zusammen. Diese entstehen überall dort, wo Radarsignale zum Beispiel auf Leitplanken oder Verkehrsschilder treffen und bilden so den Verlauf einer Straße nach. Damit können sich automatisiert fahrende Autos bis auf wenige Zentimeter genau in der Fahrspur lokalisieren.

„Die Radar-Straßensignatur ist ein Meilenstein auf dem Weg zum automatisierten Fahren. Damit werden sich automatisiert fahrende Autos jederzeit zuverlässig lokalisieren können“, sagt Bosch-Geschäftsführer Dr. Dirk Hoheisel. Der große Vorteil der Bosch „Radar Road Signature“ ist ihre Robustheit: Anders als mit Karten, die für die Fahrzeuglokalisierung ausschließlich auf Videodaten basieren, funktioniert die Lokalisierung mit der Radar-Straßensignatur zuverlässig auch nachts sowie bei schlechter Sicht. Zudem werden bei der Bosch „Radar Road Signature“ pro Kilometer nur fünf Kilobyte Daten an eine Cloud übertragen. Bei einer Videokarte ist die Datenmenge mindestens doppelt so groß. Spätestens 2020 sollen in Europa und den USA erste Fahrzeuge Daten für die „Radar Road Signature“ liefern.

Bosch und TomTom arbeiten seit Mitte 2015 zusammen

„Wir freuen uns sehr, mit der ‚Radar Road Signature‘ zusammen mit Bosch eine zusätzliche Lokalisierungsinformation vorstellen zu können. Damit wird die Eigenlokalisierung automatisierter Fahrzeuge in jeder Hinsicht wesentlich robuster”, sagt TomTom-CEO Harold Goddijn. An der Radar-Straßensignatur und ihrer Integration in die hochauflösende Gesamtkarte von TomTom haben beide Unternehmen mit Beginn ihrer Kooperation im Juli 2015 intensiv gearbeitet. Bosch ist Weltmarktführer für Radarsensoren mit 77-Gigahertz-Technologie und Erfassungsreichweiten von bis zu 250 Metern – zum Vergleich: Videosensoren haben nur eine Reichweite von maximal 150 Metern. Die Herausforderung lag vor allem darin, die bestehenden Radarsensoren quasi umzupolen. Beim Einsatz für Fahrerassistenzsysteme wie ein automatisches Notbremssystem oder eine Abstands- und Geschwindigkeitsregelung ACC erkennen die Sensoren sich bewegende Objekte. Zum Erstellen der „Radar Road Signature“ müssen dagegen statische Objekte erfasst werden. Das hat zu Modifikationen der Radarsensoren geführt. Die nächste Generation der Bosch-Radarsensoren wird in der Lage sein, die benötigten Daten für die Radar-Straßensignatur zu liefern. „Autos, die in den kommenden Jahren mit den Assistenzfunktionen von morgen auf den Markt kommen, fahren die Karte für die automatisierten Fahrzeuge von über-morgen ein“, sagt Hoheisel.

Bosch Radar Straßensignatur.
Bosch Radar Straßensignatur.

Eine Million Fahrzeuge halten hochauflösende Karte aktuell

Hochauflösende Karten sind elementar für das automatisierte Fahren und liefern Informationen, die über den Erfassungsbereich der Sensoren hinausgehen. Im Unterschied zu Karten für heutige Navigationsgeräte bestehen sie aus mehreren übereinanderliegenden Schichten:

Lokalisierungsschicht: Anhand der Lokalisierungsschicht, bestehend aus der Bosch „Radar Road Signature“ plus zusätzlicher Video-Lokalisierungskarte, ermittelt ein automatisiert fahrendes Auto seine Position in einer Fahrspur. Dazu vergleicht es zum Beispiel Informationen zu Objekten, die es über die Umfeldsensoren erhalten hat, mit den entsprechenden Informationen in der Lokalisierungsschicht. So bestimmt das Fahrzeug seine relative Position zu diesen Objekten.

Planungsschicht: Über die Planungsschicht erfolgt beim automatisierten Fahren die Berechnung einzelner Fahrmanöver (Trajektorienplanung). Dazu beinhaltet die Planungsschicht Informationen zu Fahrbahnverläufen, Verkehrsschildern und Tempolimits sowie Kurvenradien und Gefälle. Mit Hilfe der Planungsschicht entscheidet ein automatisiert fahrendes Fahrzeug beispielsweise, wann es die Spur wechselt.

Dynamikschicht: Informationen zu allen schnell veränderlichen Verkehrssituationen wie Staus, Bau- und Gefahrenstellen oder freie Parkplätze sind in der Dynamikschicht gespeichert.

Die einzelnen Schichten einer hochauflösenden Karte für automatisiertes Fahren müssen regelmäßig aktualisiert werden – die Dynamikschicht sogar in Echtzeit. „Wir gehen davon aus, dass wir für Autobahnen in Europa, Nordamerika und Asien-Pazifik jeweils eine Flotte mit etwa einer Million Fahrzeuge benötigen, um eine hochauflösende Karte aktuell zu halten“, sagt Hoheisel. Auf Basis von On-Board-Sensoren der Fahrzeuge werden aktuelle Daten für die einzelnen Schichten während der Fahrt erzeugt. Über Kommunikationsboxen wie der Connectivity Control Unit von Bosch gelangen zum Beispiel die Daten der Radarsensoren aus den Fahrzeugen über die Cloud des Herstellers in die Bosch IoT Cloud. Bosch erstellt daraus die „Radar Road Signature“, die mit allen gängigen Kartenformaten kompatibel ist. Die Integration der Radar-Straßensignatur in die Gesamtkarte sowie deren Bereitstellung erfolgt zum Beispiel durch TomTom.

[Quelle, Bild: Bosch]

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