Donwsizing: RWTH entwickelt 131 PS starken 0,8-Liter-Dreizylinder

Wie weit kann man den Hubraum moderner Ottomotoren reduzieren, ohne Leistungseinbußen in Kauf zu nehmen? Und wie viel Kraftstoff spart man durch Verwendung des kleineren Motors? Macht es Sinn, dem Benzin Ethanol beizumischen? Diesen Fragen stellen sich aktuell Wissenschaftler des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der RWTH Aachen im Auftrag der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV).

Aktueller Forschungsstand: aus einem Dreizylindermotor mit 0,8 Litern Hubraum holen die Wissenschaftler eine Leistung von bis zu 96 kW (131 PS) – was einer Literleistung von starken 120 kW (163 PS) entspricht. Bei 20prozentiger Ethanolbeimischung soll das Aggregat bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als heutige High-Tech-Maschinen mit Direkteinspritzung und Turboaufladung.

Dreizylinder-Forschungsmotor mit einer Literleistung von 120 kW/163 PS
Dreizylinder-Forschungsmotor mit einer Literleistung von 120 kW/163 PS

Bereits in den zu Beginn des Projektes durchgeführten Simulationen wurde klar: Ein solcher Motor mit extrem hohen spezifischen Leistungen entwickelt während der Verbrennung Spitzendrücke von bis zu 160 bar. Um den daraus resultierenden mechanischen Belastungen standzuhalten, wählten die Aachener als Basis für den Benziner einen existierenden Dieselmotor und konstruierten einen komplett neuen Zylinderkopf. Der überrascht unter anderem dadurch, dass er nur über drei Ventile je Zylinder verfügt, zwei für den Einlass und eines für den Auslass. Prof. Dr. Stefan Pischinger erläutert: „Wir wollten sowohl Einspritzventil als auch Zündkerze zentral anordnen. Auf der verbleibenden Fläche nutzen drei Ventile den Raum optimal aus.“

Eine große Herausforderung stellte das kleine Zylinderhubvolumen von nur 266 Kubikzentimetern für die Forscher dar. Der Zylinderdurchmesser (Bohrung) beträgt nur 65,5 Millimeter, die Höhe (Hub) 79,0 Millimeter. Bei einem solchen „Langhuber“ gilt es, die Benetzung der Zylinderwände durch Kraftstoff zu gering wie möglich zu halten. Ansonsten droht im Betrieb die Verdünnung des Motoröls durch unverbrannten Kraftstoff – was die schmierenden Eigenschaften des Öls entscheidend verschlechtern würde. Lösen konnten die Aachener das Problem, indem sie elektromagnetisch gesteuerte Sechs-Loch-Einspritzventile mit einem genau definierten Strahlverlauf verwendeten. Der Einspritzdruck von bis zu 250 bar wird in einem Common-Rail-System erzeugt.

Für die hohen spezifischen Leistungen benötigt der Motor jedoch nicht nur ausreichend Kraftstoff, sondern auch die zugehörige Luft. Diese beschafft ein zweistufiges Aufladesystem, das aus einem mechanischen Kompressor und einem Abgasturbolader besteht. Der Kompressor arbeitet nur im unteren Drehzahlbereich und sorgt für einen sehr schnellen Aufbau des Drehmoments. Ist dieses bei einer Motordrehzahl von 2.500/min erreicht, kuppelt er aus, dafür baut der Turbolader einen Druck von bis zu 3 bar auf.

Um das Leistungspotenzial des Motors voll zu nutzen, legten die Wissenschaftler ihn von Anfang an auf den Betrieb mit 20 % Ethanol (E20) aus. Dieser – in der Regel aus biogenen Stoffen hergestellte – Kraftstoff hat einen großen Vorteil: Er neigt bei hohen Temperaturen und Drücken weniger stark zur Selbstentzündung („Klopfen“). Zudem kann die „Anfettung“ des Luft-Kraftstoff-Gemisches bei Volllast deutlich reduziert werden, dadurch sinkt der Verbrauch auch für Kunden, die viel auf der Autobahn unterwegs sind. „Uns war es wichtig, dass nicht nur der Norm-, sondern auch der Realverbrauch des Motors sinkt“, sagt Pischinger.

Rechnet man die auf dem Prüfstand durchgeführten Verbrauchsmessungen auf den europäischen Fahrzyklus um, so ergibt sich ein Verbrauchspotential von mindestens 11 %. Simulationen zeigen: Würde der Motor konsequent weiter optimiert, zum Beispiel hinsichtlich der mechanischen Reibung, so sind 15 % weniger Verbrauch möglich.

Der Forschungsmotor lief bislang 300 Stunden ohne größere Schäden auf dem Prüfstand. „Damit zeigen wir, dass spezifische Leistungen von 120 kW pro Liter Hubraum grundsätzlich machbar sind“, so Pischinger. Auch wenn es seiner Einschätzung nach noch einige Jahre dauern dürfte, bis ein solcher Motor für die Produktion in großen Stückzahlen entwickelt wird, ist der Trend klar vorgezeichnet: „Wir werden noch mehr Leistung aus noch weniger Hubraum holen“.

[Quelle, Bild: Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (FVV)]

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