Reifenentwicklung: Computermodell simuliert Schlaglöcher

Traktoren werden immer größer und schneller. Dabei kommt den Reifen eine wichtige Rolle zu, denn anders als beim Auto federn sie das Fahrzeug ab. Wie sich die Reifen verhalten, wenn sie Schlaglöcher und andere Unebenheiten passieren, berechnen Agrartechniker der Universität Hohenheim mit einem Computermodell. So sollen die Zugmaschinen verkehrssicherer werden. Gleichzeitig sinken bei den Herstellern die Entwicklungskosten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Forschungsprojekt mit knapp 258.000 Euro.

Reifen-Versuchsschlepper - Computermodell simuliert Schlaglöcher
Versuchsschlepper mit speziellen Messfelgen, mit denen Kräfte im Fahrbetrieb aufgenommen werden können. Quelle: Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik

Die Zeiten, in denen Traktoren mit 20 Kilometern pro Stunde vor sich hin zockelten, gehen langsam aber sicher zu Ende. „Die Fahrsicherheit wird deshalb immer wichtiger“, sagt Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger, Leiter des Fachgebiets Grundlagen der Agrartechnik an der Universität Hohenheim. Schlepper würden immer größer und schneller.

Dabei haben Reifen bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen einen größeren Einfluss auf das Fahrverhalten als beispielsweise beim Auto. „Bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist die Hinterachse meist ungefedert. Hier übernimmt der Reifen die gesamt Federungs- und Dämpfungsarbeit. Außerdem herrscht in Traktorreifen ein viel niedrigerer Luftdruck als beim Auto und während der Fahrt im Gelände werden sie oft stark verformt.“

Prof. Dr.-Ing. Böttinger entwickelt deshalb ein spezielles Computermodell weiter, das simuliert wie sich Traktorreifen während der Fahrt auf einer Straße verhalten und welche Kräfte auf sie einwirken, wenn das Fahrzeug Schlaglöcher oder andere Hindernisse überquert.

Für die Grundlagenforschung an Traktorreifen ist die Universität Hohenheim optimal ausgestattet: „Wir haben zwei Prüfstände, an denen wir das Verhalten der Reifen studieren“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Böttinger. „Damit erfassen wir alle Einflussgrößen und lassen sie in unser Computermodell einfließen. Mit einem Testfahrzeug können wir unsere Modellberechnungen überprüfen und gegebenenfalls weiter verfeinern. Das sind weltweit einzigartige Bedingungen!“ Das Reifenmodell ist ein Teil des Gesamtfahrzeugmodells und berechnet die am Rad angreifenden Kräfte und Momente.

„Diese Informationen können die Landmaschinenhersteller nutzen, um ihre Fahrzeuge zu optimieren „, sagt Paul Witzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrartechnik. Schon heute wenden Claas und Fendt das Hohenheimer Reifenmodell an. Die Entwicklung neuer Traktoren sei damit schneller und kostengünstiger geworden. „Die Simulationstechnik kann den zeitlichen Aufwand des Entwicklungsprozesses erheblich reduzieren. Der Bau teurer Prototypen kann dadurch weitestgehend entfallen.“

Weil neue Traktoren nur dann zugelassen werden, wenn sie auf der Straße verkehrssicher sind, konzentriert sich das Hohenheimer Reifenmodell bisher noch auf den Straßenverkehr. „Es ist aber denkbar, dass wir es in Zukunft um Fahrten auf dem Acker erweitern“, kündigt Prof. Dr.-Ing. Böttinger an.

Das Forschungsprojekt von Prof. Dr.-Ing. Böttinger heißt „Weiterentwicklung des Hohenheimer Reifenmodells“ und ist im Mai 2013 angelaufen. Es ist auf drei Jahre angelegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Forschungsprojekt mit knapp 258.000 Euro.

[Quelle: Uni Hohenheim]

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