Thema Wasserstoff: Interview mit Dr. Guido Bartlok von Magna Steyr

Alle paar Jahre wird Wasserstoff als Energieträger zukünftiger Mobilität gehandelt. Doch bislang haben sich weder Brennstoffzelle noch der Wasserstoffverbrennungsmotor als echte Alternative zu batteriebetriebenen E-Autos etablieren können. Magna Steyr, eine in Graz beheimatete Tochter des kanadischen Automobilzulieferers Magna International, mischt in sämtlichen Bereichen alternativer Antriebskonzepte mit.

Insbesondere beim Thema Wasserstoff dürfen die Grazer als Vorreiter gelten, waren sie doch maßgeblich an der Entwicklung von Brennstoffzellenautos wie der Mercedes-Benz B-Klasse F-Cell oder dem BMW Hydrogen 7 beteiligt. Zuletzt unterstützte Magna Steyr das Motorsport-Projekt von Aston Martin und Alset Global, bei dem ein modifiziertes Serienfahrzeug mit Wasserstoff-Hybridsystem beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring zahlreiche Runden CO2-emissionslos (Tank-to-Wheel) abspulen konnte.

Wir konnten mit dem Wasserstoff-Experten Dr. Guido Bartlok, Program Manager Hydrogen Systems bei Magna Steyr, zu den Themen Wasserstoff, Brennstoffzelle und Mobilität der Zukunft sprechen.

„Herr Dr. Bartlok, mit dem 24-Stunden-Motorsport-Projekt im Mai 2013 wurde Wasserstoff als alternativer Energieträger wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ist ein Motorsport-Projekt nicht etwas ungewöhnlich, um umweltfreundliche Antriebskonzepte zu testen?“

Dr. Guido Bartlok:
„Nur auf den ersten Blick. Als Alset Global ein Tanksystem für den Wasserstoff-Hybrid-Aston Martin Rapide anfragte, sagten wir sofort zu. Schließlich sind die Anforderungen im Motorsport enorm und ein attraktives Testfeld für neue Technologien, also eine tolle Herausforderung für alle Beteiligten!

Guido Bartlok Wasserstoff-Experte von Magna Steyr
Dr. Guido Bartlok: Wasserstoff-Experte bei Magna Steyr

Hinzu kam der zeitliche Druck. Wir konnten auf der Basis kurzfristig verfügbarer Komponenten ein leistungsstarkes 350 bar-Speichersystem zusammenstellen, das den Anforderungen der Grünen Hölle gewachsen war. Vor allem der Sicherheitsaspekt wurde sowohl von uns als auch vom TÜV und dem Deutschen Motorsportbund DMSB sehr ernst genommen, die sich ein eigenes Bild hier bei uns in Graz machen konnten.

Besonders stolz sind wir natürlich darauf, dass wir keine Ausfälle zu beklagen hatten – weder im Vorfeld noch beim Rennen. Und dass wir beim Rennen 1/5 der gesamten Renndistanz fahren konnten, obwohl das Ziel ursprünglich eigentlich nur vorsah, eine Qualifikations-Runde mit Wasserstoff zu fahren, hat uns alle sehr stolz gemacht. Dabei hatten wir bei Magna Steyr natürlich schon im Vorfeld wertvolle Erfahrungen mit dem Aston Martin Rapide sammeln können, da das Fahrzeug bis 2012 in unserem Werk in Graz gefertigt wurde.

Das 24-Stunden-Rennen war natürlich das perfekte Event, Öffentlichkeit und Fachwelt die Leistungsfähigkeit innovativer Wasserstoffantriebe zu demonstrieren.“

Wie viele verschiedene alternative Antriebstechnologien kann die individuelle Mobilität von morgen denn überhaupt verkraften?

Ich bin der Meinung, dass ein Hybrid-Verbrennungsmotor, also ein Motor, der sowohl mit herkömmlichem Kraftstoff als auch reinem Wasserstoff betrieben werden kann, ein sinnvolles Übergangsszenario zu Zero-Emission-Automobilen, etwa brennstoffzellenbetriebenen, sein kann. Schließlich können wir hier perspektivisch auf bestehende Tankstelleninfrastruktur zurückgreifen. Und Autofahrer müssen sich nicht umstellen und können beim gelernten Tank-Procedere bleiben.

Wann werden Wasserstoff-Hybrid-Autos auf unseren Straßen zu sehen sein?

Das ist ein sehr komplexes Themenfeld. Magna Steyr engagiert sich in vielen Bereichen alternativer Antriebe, wir müssen für alle Szenarien und Technologien unserer Kunden, der Automobilhersteller (OEM), gewappnet sein. Sollten sich zukünftig OEMs für Wasserstoff-Hybridsysteme entscheiden, können wir als Automobilzulieferer mit unserem Know-how unterstützen, CO2-Ziele zu erreichen.

Schlussendlich entscheidet aber der Autokäufer. Ein großer Vorteil des Hybrid-Wasserstoffsystems besteht in der Unabhängigkeit vom Status der vorhandenen H2-Tankstelleninfrastruktur und vor allem darin, dass Autofahrer Wasserstoff – genauso wie Benzin oder Diesel – einfach und schnell zapfen können.

Eine große Herausforderung sind gesetzliche Bestimmungen, die oftmals in verschiedenen Märkten auch noch sehr unterschiedlich sind, und sehr einschränkend wirken können.

Sie haben die bestehende Tankstelleninfrastruktur angesprochen. Wie steht die Mineralölindustrie einem Wasserstoff-Szenario gegenüber? Sprechen Sie mit denen?

Das Wasserstoff-Szenario ist inzwischen nicht länger Zukunftsmusik: Gas-Zapfsäulen zum Beispiel sind heutzutage ja beinahe schon die Regel an Tankstellen. Und ein österreichisches Mineralölunternehmen etwa hat in Stuttgart und in Wien erste Wasserstofftankstellen in Betrieb genommen und wird dieses Engagement peu a peu ausbauen.

Im Großen und Ganzen ist Wasserstoff für Mineralölunternehmen aufgrund ihres ureigenen Geschäftsmodells momentan noch ein Randthema. Aber wenn es zu einer Marktdurchdringung von wasserstoffbetriebenen Autos kommt, das Thema also wirtschaftlich interessant wird, dann werden Wasserstofftankstellen bereit stehen.

Wasserstoff-Tanksystemen wird vor allem aufgrund der hohen Drücke immer wieder ein gewisses Sicherheitsrisiko nachgesagt – wie gehen Sie mit dem Thema Sicherheit um?

Das Druckniveau für die H2-Speicherung in Fahrzeugen liegt höher als bei CNG und beträgt derzeit 350 bar für Nutzfahrzeuge und Busse bzw. 700 bar bei Pkw. Der Wasserstofftank des Typs IV für 700 bar besteht aus einer inneren Kunststoff-Blase (Liner), welche für Gasdichtigkeit sorgt und aus einer Composite-Umwicklung besteht, um die Last aus dem Innendruck aufzunehmen. Diese lasttragende Composite-Struktur folgt natürlich den geltenden Vorschriften für die Zulassung von Hochdruckbehältern: Sie ist ausgelegt für eine hohe Betriebssicherheit bei Langzeitbelastung, aber auch bei zyklisch wechselnder Belastung.

Aston Martin Hybrid Hydrogen Rapid S
Aston Martin Rapide S „Hybrid Hydrogen“

Als Tanksystementwickler und –fertiger von Wasserstoffsystemen hat Magna Steyr natürlich eine besondere Verantwortung, das ist ganz klar. Um die Erwartungshaltung vom Gesetzgeber, dem Autofahrer – und nicht zuletzt unsere eigene – zu erfüllen, arbeiten wir nach festgelegten Prozessen und Standards, um den verschiedenen internationalen Regelwerken Rechnung zu tragen.

So arbeiten wir natürlich viel mit Simulationen und regelmäßigen Tests, zum Beispiel hydraulischen Bersttests oder auch Gasdruckwechseltests in kalter und warmer Umgebung, um unsere Systeme über den kompletten Entwicklungsprozess – und darüber hinaus – konsequent zu überprüfen. Defekte werden ja oftmals auch von menschlichem Fehlverhalten ausgelöst, also berücksichtigen wir auch mögliche Fehlbedienungen in unserem Lastenheft. Selbstverständlich überprüfen und entwickeln wir systematisch auch unsere Tier 1- und Tier 2-Zulieferer.

Auf diese Weise stellen wir sicher, dass unsere Hochdrucktanks sicher und problemlos funktionieren und kein größeres Risiko bergen als konventionelle Kraftstoffversorgungssysteme.

Magna Steyer hat sich zum Ziel gesetzt, sich zu einem strategischen Partner für H2-Tanksysteme zu entwickeln. Als einziger Zulieferer bietet Magna Steyr die volle Brandbreite von der H2-Komponentenentwicklung über Tests bis hin zur Produktion und ist damit prädestiniert, Gesamtmodule ins Fahrzeug zu integrieren.

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