Plattformstrategien in der Automobilindustrie

Die Automobilindustrie steht vor stetig wachsenden Herausforderungen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Hersteller ständig Innovationen vorantreiben und gleichzeitig die Effizienz ihrer Produktionsprozesse maximieren. Eine Schlüsselstrategie, die diesen Anforderungen gerecht wird, ist die Plattformstrategie. Diese erlaubt es den Herstellern, eine Vielzahl von Modellen auf einer gemeinsamen technischen Basis zu entwickeln und zu produzieren.

Was ist eine Plattformstrategie?

Eine Plattformstrategie bezieht sich auf die Praxis, eine einheitliche technische Basis – oder „Plattform“ – für mehrere verschiedene Fahrzeugmodelle zu nutzen. Eine Plattform kann das Chassis, den Antriebsstrang, die Elektronik und andere wesentliche Komponenten umfassen. Die gemeinsame Nutzung dieser Komponenten ermöglicht es den Herstellern, Entwicklungskosten zu senken, Skaleneffekte zu erzielen und die Markteinführungszeiten neuer Modelle zu verkürzen.

Bedeutung und Ziele von Plattformstrategien

Die Hauptziele einer Plattformstrategie sind:

  1. Kostenreduktion: Durch die gemeinsame Nutzung von Komponenten und Produktionsprozessen können die Kosten für Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Produktion erheblich gesenkt werden.
  2. Flexibilität: Hersteller können schneller auf Marktveränderungen und Kundenwünsche reagieren, indem sie neue Modelle auf bestehenden Plattformen entwickeln.
  3. Qualitätssteigerung: Durch die Standardisierung und Massenproduktion von Komponenten kann eine höhere und konsistentere Qualität erreicht werden.
  4. Effizienz: Die Rationalisierung der Produktionsprozesse und die Verringerung der Komplexität führen zu effizienteren Betriebsabläufen.

Technische Umsetzung

Die technische Umsetzung einer Plattformstrategie umfasst mehrere Schritte und erfordert eine sorgfältige Planung und Koordination:

  1. Entwicklung der Plattform: Der erste Schritt besteht in der Entwicklung einer modularen und skalierbaren Plattform, die verschiedene Fahrzeuggrößen, Antriebe und Technologien unterstützen kann.
  2. Modularität: Eine erfolgreiche Plattformstrategie setzt auf Modularität, sodass verschiedene Komponenten und Module flexibel kombiniert und angepasst werden können.
  3. Standardisierung: Die Standardisierung von Komponenten und Prozessen ist entscheidend, um Skaleneffekte zu erzielen und die Komplexität zu reduzieren.
  4. Integration neuer Technologien: Eine Plattform muss flexibel genug sein, um neue Technologien wie Elektromobilität, autonomes Fahren und fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme zu integrieren.

Plattformen bei führenden Automobilherstellern

MQB: Volkswagen-Konzern

Der Volkswagen-Konzern nutzt  unter anderem die MQB-Plattform (Modularer Querbaukasten) für Fahrzeuge mit quer eingebautem Motor. Diese Plattform bildet die Basis für Modelle wie den VW Golf, Audi A3, Seat Leon und Skoda Octavia. Die MQB-Plattform ermöglicht es Volkswagen, eine breite Palette von Modellen effizient zu produzieren und gleichzeitig hohe Qualitätsstandards zu wahren.

Der MQB von Volkswagen. Hier auf einem Pressebild aus 2012. Bild: Volkswagen

 

So plante Volkswagen 2012. Bild: Volkswagen

MEB: Audi und Volkswagen

Der Volkswagen-Komzern hat die MEB-Plattform (Modularer Elektrifizierungsbaukasten) entwickelt, die speziell für Elektrofahrzeuge konzipiert wurde. Diese Plattform bildet die Basis für Modelle wie den VW ID.3, ID.4 und weitere zukünftige Elektrofahrzeuge des Konzerns.

MLB: Audi und Volkswagen

Der Modulare Längsbaukasten, kurz MLB, ist ein Plattformkonzept mit längs zur Fahrtrichtung verbautem Antriebsstrang (Motor und Getriebe) der Volkswagen AG. Dieser Baukasten wurde bei Audi entwickelt und wird dort seit 2007 eingesetzt. Die MLB-Plattform wird für Modelle wie den Audi A4, A6, A7, Q5, Q7 und Q8 genutzt. Die MLB-Plattform bietet Audi die Flexibilität, sowohl konventionelle Verbrennungsmotoren als auch Hybrid- und Elektroantriebe zu integrieren, was die Anpassungsfähigkeit und Zukunftssicherheit der Modelle erhöht.

Der Phaeton D2 basierte auf dem MLB, ging aber nie in Serie.

PPE: Audi

Audi nutzt die PPE-Plattform (Premium Platform Electric), die in Zusammenarbeit mit Porsche entwickelt wurde. Diese Plattform ist speziell für Elektrofahrzeuge der Oberklasse konzipiert und wird für Modelle wie den Audi e-tron GT und den Porsche Taycan verwendet. Die PPE-Plattform bietet Audi die Flexibilität, leistungsstarke und luxuriöse Elektrofahrzeuge zu entwickeln.

BMW

BMW hat die CLAR-Plattform (Cluster Architecture) entwickelt, die für eine Vielzahl von Modellen verwendet wird, darunter der 3er, 4er, 5er, 6er, 7er sowie die SUVs X3, X4, X5 und X6. Diese Plattform unterstützt sowohl Verbrennungsmotoren als auch Hybrid- und Elektroantriebe und bietet damit eine hohe Flexibilität und Effizienz in der Produktion.

Mercedes-Benz

Mercedes-Benz nutzt die MRA-Plattform (Modular Rear Architecture) für Fahrzeuge mit Hinterradantrieb und optionalem Allradantrieb. Modelle wie die C-Klasse, E-Klasse, S-Klasse und die SUVs GLC und GLE basieren auf dieser Plattform. Zusätzlich hat Mercedes die MFA-Plattform (Modular Front Architecture) für kompakte Fahrzeuge mit Frontantrieb und optionalem Allradantrieb entwickelt, zu denen die A-Klasse, B-Klasse, CLA und GLA gehören.

Toyota

Die TNGA-Plattform (Toyota New Global Architecture) dient als Basis für Modelle wie den Toyota Camry, Corolla und RAV4.

Hyundai

Die K-Plattform wird für Modelle wie den Hyundai Sonata und Kia Optima verwendet.

Vorteile der Plattformstrategie

  1. Kosteneffizienz: Die gemeinsame Nutzung von Komponenten und Technologien führt zu erheblichen Kosteneinsparungen in der Entwicklung und Produktion.
  2. Skaleneffekte: Größere Produktionsvolumina einzelner Teile ermöglichen es, die Stückkosten zu senken.
  3. Schnellere Markteinführung: Neue Modelle können schneller entwickelt und auf den Markt gebracht werden, da nicht jedes Modell von Grund auf neu entwickelt werden muss.
  4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Hersteller können eine Vielzahl von Modellen anbieten, die auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind, ohne die Kosten und den Aufwand einer vollständigen Neuentwicklung jedes Modells.
  5. Verbesserte Qualität: Durch die Standardisierung und Massenproduktion von Komponenten kann eine konsistent hohe Qualität gewährleistet werden.

Herausforderungen und Risiken

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Herausforderungen und Risiken bei der Implementierung einer Plattformstrategie:

  1. Komplexitätsmanagement: Die Koordination verschiedener Modelle und Marken auf einer Plattform kann sehr komplex sein.
  2. Markendifferenzierung: Es ist wichtig sicherzustellen, dass Modelle, die die gleiche Plattform nutzen, genügend Unterschiede aufweisen, um sich im Markt zu differenzieren.
  3. Technologische Anpassungen: Neue Technologien und Innovationen müssen in die bestehende Plattform integriert werden, was zusätzlichen Entwicklungsaufwand erfordert.
  4. Investitionskosten: Die initialen Investitionen in die Entwicklung einer flexiblen und modularen Plattform können hoch sein.

Zukunftsperspektiven

Die Zukunft der Plattformstrategien in der Automobilindustrie wird stark von den Trends der Elektromobilität, des autonomen Fahrens und der Digitalisierung geprägt sein. Hersteller müssen ihre Plattformen kontinuierlich weiterentwickeln, um diese neuen Technologien zu integrieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ein wichtiger Trend ist die Entwicklung spezialisierter Elektrofahrzeug-Plattformen, wie die MEB-Plattform (Modularer Elektrifizierungsbaukasten) von Volkswagen, die speziell für Elektrofahrzeuge entwickelt wurde. Diese Plattform ermöglicht es, die Vorteile der Elektromobilität voll auszuschöpfen und bietet gleichzeitig eine hohe Flexibilität für verschiedene Fahrzeugtypen.

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