Schaeffler hat einen neuen elektrischen Radnabenmotor entwickelt. Die zweite Generation des Schaeffler-Radnabenantriebs wird aktuell im Rahmen des „auto, motor und sport“-Kongresses in einem PKW von Entwicklungspartner Ford gezeigt. Angetrieben wird das Kompaktfahrzeug mittels zweier in den hinteren Radhäusern verbauten Schaeffler E-Wheel Drive.
Die technischen Eckdaten liegen laut Schaeffler bei bis zu 40 kW pro Antrieb, beziehungsweise einer Dauerleistung von zweimal 33 kW. Das entspricht in traditioneller Lesart bis zu 110, beziehungsweise 90 PS. Dabei liefert der flüssigkeitsgekühlte Radnabenantrieb der zweiten Entwicklungsstufe ein Drehmoment von bis zu 700 Nm. Damit verfügt der aktuelle Radnabenantrieb E-Wheel Drive Beta gegenüber dem im Jahr 2010 im Schaeffler-Ideenfahrzeug Schaeffler Hybrid (auf Basis eines Opel Corsa) gezeigten Radnabenmotor der ersten Generation über ein Drittel mehr Leistung und ein um 75 Prozent höheres Drehmoment. Die elektrische Spannung des Hochvoltantriebs beträgt 360 – 420 Volt.
Mit insgesamt 53 Kilogramm soll das Mehrgewicht des hochintegrierten Radnabenantriebs gegenüber einem herkömmlichen Rad mit Radlager und Bremse 45 Kilogramm betragen. Das Bauvolumen von 16 Liter findet Platz in einer 16-Zoll-Felge. Gegenüber dem Radnabenmotor der Generation Alpha, bei dem die Leistungselektronik noch im Fahrzeug verbaut war, soll der hochintegrierte Radnabenantrieb sechs Kilogramm mehr auf die Waage bringen. „Insgesamt konnten wir das Fahrzeuggewicht aber noch einmal senken“, so Dr. Raphael Fischer, Leiter Produktgruppe Radnabenantriebe im Schaeffler Systemhaus Elektromobilität, „da neben der Flüssigkeitskühlung auch die Leistungselektronik und Controller im Rad platziert werden konnten und eine umfangreiche Verkabelung im Fahrzeug entfällt.“
„Das B-Segment-Fahrzeug dient als Erprobungsträger. Vollends ihre Stärken können Radnabenantriebe indes erst in neuen Fahrzeugkonzepten ausspielen“, ordnet Prof. Peter Gutzmer, Schaeffler Vorstand für Forschung und Entwicklung, die Antriebs-Innovation ein: „Erst der hochintegrierte Radnabenantrieb ermöglicht es, das Stadtauto neu und völlig frei zu denken. Er ist zukünftig ein Schlüssel für neue Fahrzeugkonzepte und Automobilplattformen. Für urban genutzte Elektrofahrzeuge, wie sie in einigen Ballungsräumen obligatorisch werden können, schafft der Radnabenantrieb eine bislang ungekannte Raumökonomie. Bei diesen neuartigen Fahrzeugkonzepten sind alle für Vortrieb, Bremsen und Fahrsicherheit relevanten Bauteile im Rad untergebracht. In der Fahrzeugplattform bleibt damit der maximale Platz für Passagiere, Gepäck sowie Batterie, Elektronik und Kommunikation. Und darauf können die Fahrzeughersteller dann unterschiedliche Karosserien realisieren. Das ist so, wie das Autobauen einmal angefangen hat.“
Die Premiere beim Kongress der Stuttgarter „Motorpresse“ ist eine Abwechslung im eng gesteckten Erprobungskalender des Entwicklungsfahrzeugs. Wie Schaeffler mitteilt, kommt der in enger Kooperation mit Ford Research & Advanced Engineering Europe aufgebaute Fiesta E-Wheel Drive beispielsweise gerade von ausgedehnten Testfahrten aus der skandinavischen Kälte. Die Wintererprobung sei ein Teil des umfangreichen, gemeinsamen Entwicklungs-, Abstimmungs- und Testprogramms. „Exzellente Fahrdynamik gehört zu den Hauptattributen von Ford Fahrzeugen und wir haben auch bei diesem Projekt unsere Kompetenz und Erfahrung in diesem Bereich genutzt. Die Fahrversuche haben deutlich gezeigt, dass das Fahrverhalten hinsichtlich Komfort und Sicherheit bei diesem Erprobungsfahrzeug trotz der höheren, radgefederten Massen im Vergleich zum konventionellen Basisfahrzeug auf nahezu gleich hohem Niveau ist“, erklärt Roger Graaf, der Projektleiter bei Ford Research & Advanced Engineering Europe. Konzeptbedingt ermöglichen die beiden Radnabenantriebe auch ein so genanntes Torque Vectoring, die radselektive Verteilung der Antriebsmomente.
„So bieten hochintegrierte Radnabenantriebe neben einer perfekten Raumnutzung auch deutliche Vorteile in punkto Manövrierbarkeit, Fahrdynamik sowie aktiver Sicherheit. Dies kann zukünftig insbesondere in Kombination mit Autonomem Fahren eine bedeutende Rolle spielen“, erklärt Prof. Peter Gutzmer. „Damit könnte der elektrische Radnabenantrieb zu einem Antrieb von übermorgen und einer wertvollen Ergänzung des Antriebsfächers werden, der global gesehen weiterhin von dem zunehmend elektrifizierten verbrennungsmotorischen Antriebsstrang bestimmt werden wird.“
[Bilder: Schaeffler]