Eine steife Brise weht durch Kopenhagen, als wir dort die Brennstoffzellen-Honda der neuesten Generation besteigen wollen. Der heftige Wind wirft die Frage auf, warum wir den Clarity Fuel Cell ausgerechnet in Dänemark kennenlernen? Die Antwort überrascht und zeigt gleichzeitig das Problem der Wasserstofftechnologie in Europa auf: Dänemark ist der Staat mit der größten Dichte an Wasserstofftankstellen in Europa. In den nächsten Tagen wird die 16. (!) Wasserstofftankstelle eröffnet. Immerhin muss dann kein Däne weiter als 100 Kilometer bis zur nächsten Wasserstoffzapfsäule fahren.
Von Peter Schwerdtmann
In ganz Deutschland bieten nur wenig mehr Tankstellen als in Dänemark Wasserstoff an. Der Ausbau läuft. Aber selbst, wenn das Ziel von 50 Tankstellen in der geplanten Zeit erreicht wird – ein flächendeckendes Netz wird man das noch lange nicht nennen können. Was macht denn unter diesen Umständen der Clarity in Deutschland? Honda sieht sich verpflichtet, die Wasserstofftechnologie für die Mobilität zu fördern. Dafür sind 150 Stück für Japan und 250 Stück für die USA geplant. Ein paar sind jetzt in Europa gelandet, um die schadstofffreie Abgasfahne der Brennstoffzelle auch unter dem Honda-Logo hochzuhalten. Sie sind Teil des von der EU geförderten „HyFIVE“-Programms in Großbritannien und in Dänemark.
Von einer Massenproduktion kann nicht die Rede sein. Rund drei Stück pro Tag schafft die Fabrik in Japan. Mehr Brennstoffzellenpakete – gern auch als Stacks bezeichnet – schafft die Produktion nicht. Das liegt auch an dem Ziel, das sich Honda für seinen neuen Brennstoffzellenantrieb gesetzt hatte. Alle Komponenten des Antriebs sollten unter die Motorhaube passen: 358 Zellen im Gehäuse, der elektrische Turbolader für die Befüllung der Zellen nach Leistungsbedarf, Motor, Untersetzungsgetriebe und Leistungselektronik. Der komplette Antrieb ist von der Größe her vergleichbar mit einem 3,5-Liter-V6-Benziner und fast ein Drittel kleiner.
Revolutionäre Technologien verlangen nach einem revolutionären Design. Dieser Überzeugung folgte auch Honda. Anders als beim Wettbewerber Toyota Mirai geriet der Clarity ansehnlicher und für europäische Augen akzeptabler. Ecken und Kanten kennzeichnen ihn, aber auch Elemente, die für Sorgfalt bei der aerodynamischen Gestaltung sprechen. So hat der Clarity an der Vorder- und an der Hinterachse den Luftwiderstand verringernde Air-Curtains, die für eine sauberere Umströmung der Radhäuser erreichen. BMW gönnt das den Seinen nur für die Vorderachse.
Der Clarity gehört nicht zu den Elektroautos, bei denen bei höheren Geschwindigkeiten die Windgeräusche auch einen überlauten Diesel übertönen. Die Aeroakustiker haben gute Arbeit abgeliefert, ebenso die Ingenieure, die sich um Geräuschvermeidung und -dämmung kümmern.
Die Länge von 4,91 Metern – einen Daumen breit weniger als ein Volvo S90 – deutet ebenso auf den Zielmarkt USA hin wie die weiche Abstimmung des Fahrwerks. Die recht direkte Lenkung überrascht in diesem Umfeld. Der Clarity ist ein ausgewachsener Fünfsitzer mit angemessen großem Innenraum, aber einem mit 334 Litern recht kleinen Kofferraum. Den frisst der größere der beiden Wasserstofftanks – unter der Rücksitzbank 24 Liter, hinter den Rücksitzen 117 Liter mit insgesamt Raum für rund fünf Kilogramm Wasserstoff. Bei unserer Tour durch den Norden der dänischen Insel Seeland brauchten wir ein Kilogramm für 90 Kilometer. Die Honda-Angabe von maximal 650 Liter Reichweite könnte also passen.
Der Preis für ein Kilogramm Wasserstoff liegt zwischen 8,50 Euro und 10,50 Euro. Dort soll er auch in Zukunft bleiben, wenn Wasserstoff zwar billiger herzustellen sein, der Finanzminister aber sicher seinen Anteil abschöpfen wird. Damit liegt die heutige Brennstoffzelle auf demselben Niveau wie ein Dieselmotor.
Der Elektromotor wird sich in aller Regel direkt aus der Brennstoffzelle bedienen, die bis zu 103 kW / 140 PS Leistung anbietet. Werden die maximal möglichen 130 kW / 174 PS verlangt, holt sich der Motor die Differenz aus der Batterie.
Die Leistungsdaten könnten den Eindruck erwecken, der Clarity sei nicht so agil wie ein Benziner oder Diesel in dieser Größenklasse. Aber mit den 300 Newtonmetern (Nm) maximalem Drehmoment, das bereits von der ersten Umdrehung an anliegt, fährt sich der Clarity agiler als die angegebene Zeit von neun Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h erwarten lässt. Bis hoch kurz unter Höchstgeschwindigkeit entsteht also nie der Eindruck, das Fehlen des Geräuschs gehe einher mit einem Mangel an Leistung.
In der Summe bleibt festzuhalten, dass es beim Fahren keinen Unterschied zum batterieelektrisch betriebenem Personenwagen gibt: Drehmoment sofort und bis in hohe Geschwindigkeitsbereiche und das weitgehende Fehlen eines Fahrgeräuschs sind gleich. Dafür bietet der Wasserstoff ein Vielfaches der heutigen Batterie-Reichweiten und der Tankvorgang dauert nur unwesentlich länger als bei Benzin oder Diesel.
Den Kraftstoffpreis können wir nun abschätzen. Was ein Honda Clarity kostet, können wir nur an der kreativen Art der Finanzierung in den USA ablesen. Dort kann man ihn nur leasen und nur für drei Jahre. Bezahlen müssen Clarity-Fahrer einen Betrag von 2868 US-Dollar (etwa 2600 Euro), danach werden monatliche Leasinggebühren von 369 US-Dollar (etwa 336 Euro) fällig. Dazu bekommt der Eigner eine Tankkarte im Wert von 15 000 US-Dollar (etwa 13 640 Euro) und einen Gutschein für das Mieten eines Luxuswagens an 21 Tagen. Das scheint ausreichend verlockend zu sein. Denn in den USA sollen inzwischen mehr als 500 Bestellungen vorliegen. Doch die Zahlen in den USA sagen noch nichts darüber, was ein Käufer für einen Clarity aus einer echten Großserie eines Tages aufbringen muss.
[Quelle: ampnet, Bilder: Honda]