Motorensymposium 2016: Der Verbrennungsmotor hat noch immer Entwicklungspotenzial

„Lohnt es sich überhaupt noch, Geld in den Verbrenner zu stecken?“ Damit brachte ein Referent eine Kernfrage des Wiener Motorensymposiums auf den Punkt. Wohl kaum, wenn man der Politik Glauben schenkt: Fast zeitgleich mit dem Zusammentreffen der renommierten Motorenentwickler in der Wiener Hofburg tönte die deutsche Bundesregierung in Berlin, man wolle Elektromobile, mit denen man weiterhin Deutschlands Straßen fluten will, nun pro Stück mit einer Subvention von 4000 Euro fördern. Die Hälfte davon darf die Industrie berappen, für die andere Hälfte kommt der Steuerzahler auf.

Von Jens Meiners/ampnet

Die Subventionen belegen nicht nur den politischen Willen, sondern sie zeigen auch: Freiwillig und zu Marktpreisen entscheidet sich nach wie vor kaum jemand für den E-Mobile. Kein Wunder, denn der Verbrenner wird immer besser. In Wien war zu sehen, dass noch erhebliche Entwicklungssprünge bevorstehen, die den Otto- und Dieselmotor im Vergleich der Konzepte gut aussehen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man die Emissionen von Elektroautos nicht einfach als „null“ definiert, sondern zu einer fairen „Well-to-wheel“-Betrachtung gelangt, die auch jene Emissionen berücksichtigt, die bei der Stromerzeugung anfallen – von der Herstellung der Akkus ganz zu schweigen.

Alfa Romeo 4C mit Biturbo-Abgasturbo und elektrischer Aufladung. Bild: Jens Meiners
Alfa Romeo 4C mit Biturbo-Abgasturbo und elektrischer Aufladung. Bild: Jens Meiners

Zu den interessantesten Konzepten zählte in Wien die neue Generation des EA211-Motors von Volkswagen, der jetzt mit anspruchsvollster Technik aufwartet: Die 1,4- und 1,6-Liter-Varianen werden durch ein überarbeitetes Aggregat mit 1,5 Litern Hubraum und 130 oder 150 PS ersetzt, wobei die schwächere Variante mit einem Turbolader mit variabler Turbinengeometrie ausgerüstet ist. Diese Technik wird bei Ottomotoren ansonsten nur von Porsche eingesetzt. Der Vorteil: Spontaneres Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen.

Ein vom Aachener Entwicklungsdienstleister FEV vorgestellter Prototyp auf Basis des Mercedes-AMG A45 setzt auf einen elektrischen Lader des Herstellers Borg Warner, um das ausgeprägte „Turbo-Loch“ des Ausgangsmodells zu eliminieren. Und AVL List in Graz zeigt eine Studie auf Basis des Alfa Romeo 4C, bei der die Leistung dank Biturbo-Abgasturbo und elektrischer Aufladung auf stolze 474 PS steigt; damit dürfte eine Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h möglich sein.

Alfa Romeo 4C mit Biturbo-Abgasturbo und elektrischer Aufladung. Bild: Jens Meiners
Alfa Romeo 4C mit Biturbo-Abgasturbo und elektrischer Aufladung. Bild: Jens Meiners

Bosch präsentiert die Wassereinspritzung, bislang ein Thema für Tuning- und Hochleistungsmotoren, inzwischen aber auch im Massenmarkt interessant. Am kostengünstigsten sind Systeme, bei denen der Fahrer bei jedem fünften Tankvorgang destilliertes Wasser nachfüllen müsste; die Kundenakzeptanz dafür sei hoch, will Bosch herausgefunden haben. Alternativ wäre es möglich, Kondenswasser aus dem Abgastrakt oder aus der Klimaanlage zu generieren.

Zudem schlägt in Wien die Stunde der Hochleistungsmotoren, deren oberer Abschluss vom Bugatti Chiron gebildet wird: Sei 8,0-liter W-16-Motor leistet geradezu unglaubliche 1500 PS – eine Überraschung für die Ingenieure, die ursprünglich von der bereits sehr ehrgeizigen Vorgabe von 1350 PS ausgegangen waren, was ungefähr einem Megawatt entspricht. Wie bereits sein Vorgänger verfügt der Chiron über vier Turbolader.

Vier Abgas-Turbolader besitzt auch ein neuer Reihen-Sechszylinder-Diesel von BMW, dessen Mission mit dem Wort „V8-Fighter“ klar umschrieben ist. Aus 3 Litern Hubraum holt der Selbstzünder 400 PS und 760 Nm Drehmoment – deutlich mehr als der Vorgänger mit drei Turboladern, allerdings 35 PS weniger als der Audi-V8-TDI mit 4 Litern Hubraum und elektrischem Verdichter, der das Biturbo-Konzept ergänzt. Ersteinsatz dieses hochkomplexen BMW-Aggregats ist im 750d xDrive; 5er und X-Modelle folgen sukzessive.

Höchstleistung liefern auch auf die miteinander verwandten 3,0-Liter-V6- und 4,0-Liter-V8-Aggregate aus dem VW-Konzern. Für den Sechszylinder, der im Audi S4 seine Premiere feiert, ist Audi zuständig; der 550 PS starke Achtzylinder entstand unter Federführung der Stuttgarter. Er erlebt seine Premiere im kommenden Porsche Panamera Turbo. Aston Martin wiederum hat den von Ford in Köln produzierten 6,0-Liter-V12 mit Turboaufladung, Zylinderabschaltung und einer Hubraumreduzierung auf 5,2 Liter zukunftsfest gemacht.

Intensiv diskutiert wurden Lösungen, mit denen Erdöl ersetzt werden kann. Vielversprechend sind synthetische Kraftstoffe, denn mit ihnen ließen sich die teils gravierenden Umweltprobleme, die mit der E-Mobilität einhergehen, vermeiden. Es entfiele die Rohstoff- und Entsorgungsproblematik der Batterien, die Sicherheit der Akkus ist ebenso wenig Thema wie die teils schmutzige Stromerzeugung.

Auch die Brennstoffzelle könnte eine Lösung sein; BMW berichtet von Fortschritten beim gemeinsamen Projekt mit Toyota, und der Entwicklungsdienstleister Magna überrascht mit einer Studie, die nicht nur über einen Wasserstoffantrieb verfügt, sondern zudem – gleichsam als Range Extender – großzügig dimensionierte Batterien nutzt.

Das Potential, das im herkömmlichen Verbrenner steckt, ist jedoch keinesfalls ausgereizt. Alleine die Zylinderabschaltung bringt rund fünf Prozent; mit Wassereinspritzung, variabler Verdichtung und 48-Volt-Hybridisierung lässt sich sowohl aus dem Ottomotor als auch aus dem Diesel noch weitaus mehr herausholen. Und die Kosten lassen sich im Rahmen halten – etwa mit einem Prototyp mit 48-Volt-Hybridisierung und Schaltgetriebe, den Schaeffler und Conti vorstellen.

Doch die Botschaft muss auch an die Politik gelangen. Und hier herrscht – vor allem vor dem Hintergrund des VW-Skandals – Ernüchterung: „Die Diskussion ist nicht rational“, sagt ein Referent, und notiert: „Die Grundstimmung spricht gegen uns als Automobilindustrie.“ Ein PSA-Entwickler berichtet: „In Frankreich wird auf den Diesel eingedroschen, und das ist ein Unglück.“ Und Daimler-Vorstand Thomas Weber gibt bei aller Skepsis über die E-Mobilität zu bedenken: „Wir müssen Gas geben, sonst kommen wir noch mehr in die Defensive.“ Und so gilt heuer: Die Lösungen sind überzeugend, doch die Stimmung war schon einmal entspannter in der Wiener Hofburg.

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