Die Ziele sind hoch: Nicht weniger als eine Million E-Autos möchte Bundeskanzlerin Angela Merkel bis im Jahr 2020 auf deutschen Straßen in Betrieb sehen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Nur rund 19.000 Deutsche fuhren 2015 laut Kraftfahrt-Bundesamt ein Elektroauto. Der Grund: „Viele haben vor allem Bedenken, dass das Aufladen von E-Autos sehr lange dauert und so nur begrenzte Strecken gefahren werden können. Man spricht dabei auch von Reichweitenangst“, erklärt Fabian Gebauer vom Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg.
In einer Studie nahm der Doktorand gemeinsam mit Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Claus-Christian Carbon in Zusammenarbeit mit der BMW AG München diese beiden Vorurteile in einem Experiment unter die Lupe und widmete sich der Frage, wie die Akzeptanz der modernen Technik erhöht werden kann. Die Ergebnisse bestätigten: Durch das aktive Erleben von E-Mobilität können etwaige Vorbehalte fallen.
In der BMW Welt in München, einem Erlebniszentrum der Automarke, baten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 62 Besucherinnen und Besucher, ein E-Auto mit einer 28 kWh Batterie und einer Reichweite von 160 Kilometern aufzuladen. Die eine Hälfte der Testpersonen lud das E-Auto an einer neuen sogenannten DC-Schnellladesäule auf – eine Technik, die erst kurz zuvor die Markteinführung durchlaufen hatte. Die neuen Ladestationen werden mit Gleichstrom und einer Ladeleistung von bis zu 50 kW betrieben – damit liegt die Ladezeit für ein E-Auto nur noch bei rund 30 Minuten. Die anderen Befragten wurden gebeten, eine konventionelle Ladestation mit Wechselstrom zu verwenden. Die Ladezeiten liegen bei den älteren Stationen wesentlich höher: Bis zu acht Stunden kann es an einer solchen Ladestelle dauern, bis die Batterien vollgeladen sind.
Vor und nach einer Ladung befragten die Forscherinnen und Forscher die Testpersonen beider Gruppen zur Zukunftsfähigkeit von E-Mobilität. Es zeigte sich ein deutlicher Einstellungswandel: Die Befragten, die die Schnellladetechnologie genutzt hatten, waren nach dem aktiven Erleben deutlich zuversichtlicher als zuvor, dass E-Mobilität eine zukunftsfähige Technologie sei.
Zusätzlich zum Feldexperiment führten Gebauer und Carbon auch Befragungen an einer Kontrollgruppe durch. 62 Testpersonen in Bamberg wurde in zwei parallele Gruppen aufgeteilt, die wiederum die gleichen Grundinformationen über schnelle beziehungsweise langsame Ladetechnik erhielten. Diese Informationen waren allerdings lediglich als schriftliches Informationsmaterial aufbereitet. Zusätzlich erhielten sie Fotos der Ladestationen und des Autos. „Der einzige wesentliche Unterschied war also, dass die Personen in der Experimentalgruppe den Ladevorgang selbst steuerten und sie damit die Möglichkeit erhielten, sich aktiv mit der modernen Ladetechnologie vertraut zu machen,“ erklärt Gebauer.
Zeigten sich zuvor beim aktiven Laden noch positive Veränderungen in der Gruppe der Schnellladebedingung, konnten diese nicht mehr festgestellt werden, sobald nur noch Informationen, aber keine praktischen Erfahrungen mehr gesammelt wurden. Allein die Darstellung von Informationen über neue Ladetechniken sind somit nicht hinreichend, um einen Einstellungswandel herbeiführen zu können. Das Fazit von Carbon: „Wenn man das schnelle Laden von E-Autos selbst einmal hautnah erlebt hat, fallen die typischen Vorbehalte gegenüber E-Mobilität.“
Diese Erkenntnisse könnten in Zukunft eingesetzt werden, um mehr Menschen von den Vorzügen der E-Mobilität zu überzeugen. „Hersteller von E-Autos sollten vermehrt Testfahrten anbieten, um Barrieren und Vorurteile gegenüber der neuen Technik abzubauen. Gleichzeitig sollten sie weiter auf Innovation und Weiterentwicklung in diesem Bereich setzen“, empfiehlt Gebauer. Auch im Hinblick auf die ökologischen Herausforderungen der Zukunft könne die E-Technologie so eine echte Alternative sein. „Das Erleben des Gefühls, dass E-Autos ein umweltschonendes Verkehrsmittel sind, hat das Potenzial, viele Autofahrerinnen und -fahrer zum Umdenken zu bewegen.“ Damit könnte das aktive Erfahren einen wichtigen Beitrag leisten, den Markt für E-Fahrzeuge deutlich zu vergrößern, den Automobilherstellern attraktivere Zukunftsperspektiven für E-Technik zu schaffen, die Luftqualität zu verbessern und darüber hinaus dem Ziel der Bundeskanzlerin ein wenig näher zu kommen.
[Quelle: Universität Bamberg]