ZF präsentiert ein Konzeptfahrzeug, das Geisterfahrten vorbeugen und Ablenkung am Steuer verhindern soll. Das Concept Car „Vision Zero Vehicle“ verfügt über intelligente mechanische Systeme, die dabei helfen könnten, eine Vielzahl von Unfällen zu vermeiden.
„Driver Distraction Assist“ kann erkennen, wenn der Fahrer abelenkt ist – die mittlerweile zweithäufigste Unfallursache nach überhöhter Geschwindigkeit –und bei Bedarf das Fahrzeug soweit sicher steuern, bis keine größere Gefahr mehr besteht. Mit „Wrong-way Inhibit“ schafft ZF außerdem das Potenzial, Geisterfahrten und deren oft fatale Folgen aktiv zu verhindern. Derartige Sicherheitsinnovationen sind entscheidende Wegbereiter für die Übergangsphase zwischen assistiertem und autonomem Fahren. Das Vision Zero Vehicle zeigt dabei nicht nur den Weg zu einer zukünftigen Mobilität ohne Unfälle: dank seines hoch integrierten elektrischen Achsantriebs fährt es lokal emissionsfrei.
„Null Verkehrsunfälle und null Emissionen werden erst möglich, wenn alle Transportmittel elektrisch, autonom und vernetzt fahren. Daran arbeiten wir mit Hochdruck“, sagt Dr. Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG. „Mit unserem rein elektrischen Vision Zero Vehicle und seinen innovativen Sicherheitssystemen zeigen wir wichtige Etappenziele auf dem Weg dorthin. Insbesondere für die Übergangsphase vom assistierten zum autonomen Fahren brauchen wir fortschrittliche integrierte Sicherheitssysteme, um die Sicherheit der selbst fahrenden als auch der pilotierten Insassen weiter zu erhöhen.“ Die von ZF neu entwickelten Fahrfunktionen „Wrong-way Inhibit“ und „Driver Distraction Assist“ versetzen Fahrzeuge in die Lage, häufigen Ursachen für schwere Unfälle wie Geisterfahrten oder abgelenkte Fahrer selbst entgegenzusteuern. Zudem verdeutlichen sie eine zentrale ZF-Kompetenz: Fahrzeuge dank intelligenter und vernetzter mechanischer Systeme sehen, denken und handeln lassen.
Behält den Fahrer im Auge
Autofahrer verlieren unterwegs immer häufiger das Wesentliche aus dem Blick: Rund jeder zehnte Verkehrstote geht laut einer Verkehrssicherheitsstudie des Allianz Zentrums für Technik mittlerweile auf den Faktor Ablenkung zurück. In Deutschland verloren dadurch im Jahr 2016 rund 350 Personen ihr Leben, 94 mehr als durch Alkohol am Steuer. In den USA, wo im Jahr 2015 alleine durch Ablenkung am Steuer 3.477 Menschen starben, ergab eine im Vorjahr veröffentlichte Studie des Virginia Tech Transportation Institute ähnlich Besorgniserregendes: Demnach sind Personen hinter dem Lenkrad heute insgesamt rund über die Hälfte (52 Prozent) der Fahrdauer abgelenkt. Über 6,4 Prozent der Zeit beschäftigen sie sich dabei eingehend mit ihrem Mobiltelefon, wobei sich das Unfallrisiko beim Texten sogar verzehnfacht.
„Driver Distraction Assist kann dazu beitragen, Ablenkung am Steuer zu erkennen. Die Funktion warnt den Fahrer entsprechend und unterstützt ihn im Notfall so lange, bis eine potenziell gefährliche Situation überwunden ist“, erklärt Dr. Harald Naunheimer, Leiter der zentralen Forschung und Entwicklung bei ZF.
Technische Basis des Anti-Ablenkungsassistenten ist eine lernfähige, laserbasierte Time-of-Flight Innenraumkamera: Diese erfasst die Position des Fahrerkopfs dreidimensional und – im Gegensatz etwa zu digitalen Videosystemen – laut ZF-Angaben „zuverlässig bei Tag und bei Nacht, selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen“. Infolgedessen soll sie erkennen können, sobald der Blick des Fahrers vom Verkehrsgeschehen abgewandt ist. Droht dadurch Gefahr, schlägt das System in der ersten Stufe optisch durch Warnung im Zentraldisplay, akustisch sowie haptisch durch aktives Straffen des Sicherheitsgurts Alarm. Parallel dazu unterstützt der Anti-Ablenkungsassistent den Fahrer bei der Längs- und Spurführung des Fahrzeugs, auch in Kurven. Reagiert der Fahrer weiterhin nicht – ein Fall, der bei Übergabeszenarien vom automatisierten zum assistierten Fahrmodus ebenfalls eintreten kann – nimmt das System das Antriebsmoment kontinuierlich zurück. Im letzten Schritt kann es bei weiterhin bestehender Ablenkung sogar die Gasannahme zurücknehmen und den Wagen an sicherer Stelle anhalten.
Stoppt aktiv potenzielle Geisterfahrten
Die ZF-Funktionsneuheit „Wrong-way Inhibit“ soll allen voran dem Phänomen „Geisterfahrer“ und seinen oft schwerwiegenden Folgen aktiv entgegenwirken: Auf US-Highways fallen dem National Transportation Safety Board zufolge Falschfahrern jedes Jahr durchschnittlich 360 Menschen zum Opfer. In Deutschland waren es 2016 insgesamt zwölf Tote – bei 2.200 Warnmeldungen vor Falschfahrern im Verkehrsfunk (laut ADAC). „Mit Wrong-way Inhibit wollen wir die traurige Statistik von Unfällen aufgrund von Falschfahrern künftig obsolet machen“, betont Naunheimer.
Das System aktiviert sich bereits, wenn der Fahrer per Blinker und eindeutiger Lenkbewegung andeutet, dass er in falscher Richtung in eine Straße einfahren will – sei es infolge von Ablenkung, schlechter Sicht oder fehlender Orientierung. Steuert dieser etwa anstelle einer Autobahnauffahrt die Autobahnabfahrt an, warnt ihn das System zunächst akustisch, haptisch via Gurtvibration und optisch im Informations-Display. Zudem gibt auch das Lenkrad beim Einlenken mittels deutlich erhöhten Lenkwiderstands dem Fahrer unmissverständlich zu verstehen, dass er im Begriff ist, falsch abzubiegen. Sollte der Pilot dennoch abbiegen, hält das System den Wagen am äußeren Fahrbahnrand und bremst zunächst auf Schrittgeschwindigkeit und schließlich bis zum Stillstand ab. Zudem schalten sich sofort das Abblendlicht und die Warnblinkanlage ein, um entgegenkommende Fahrzeuge vor dem Falschfahrer zu warnen. Falls eine Ausweichfläche vorhanden ist oder der Rückwärtsgang eingelegt wird, gestattet das System dem Lenker, entlang des Fahrbahnrands sicher aus der Gefahrenzone zu fahren. Welcher Weg und welche Richtung richtig oder falsch ist, soll das „Vision Zero Vehicle“ über hochgenaue und via Cloud permanent aktualisierte Karten sowie über ein Front-Kamerasystem wissen, welches Verkehrsschilder genauso wie Fahrbahnmarkierungen exakt erkennen und interpretieren soll.
Lokal emissionsfreie Dynamik
Das „Vision Zero Vehicle“ von ZF zeigt nicht nur den Weg zu einer zukünftigen Mobilität ohne Unfälle, sondern auch ohne lokale Emissionen auf. Für dynamischen Vortrieb sorgt ein elektrisches Achsantriebssystem mit 150 kW Leistung. Die kompakte Antriebseinheit kombiniert die elektrische Maschine, ein zweistufiges Ein-Gang-Stirnradgetriebe, ein Differenzial sowie die Leistungselektronik. Dieses Modul sitzt platzsparend in einem innovativen ZF-Hinterachs-Baukastensystem namens mSTARS (modular Semi-Trailing Arm Rear Suspension). Das modulare Achssystem macht die Elektrifizierung von Serienfahrzeug-Plattformen besonders einfach und flexibel.
Mit mSTARS will ZF den Fahrzeugherstellern vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in unterschiedlichsten Fahrzeugsegmenten bieten. Der Einsatz in Hybrid-, Brennstoffzellen- sowie batteriebetriebenen Fahrzeugen ist ebenso möglich wie die Kombination mit konventionellen Allradmodulen oder der aktiven Hinterachslenkung AKC.
[Quelle, Bilder: ZF]